Sandra ist eine von 300.000 EMAH (Erwachsene mit angeborenem Herzfehler) in Deutschland. Gemeinsam mit der Kinderkardiologin Dr. Isabelle Schöffl wagt sie 2025 einen spektakulären Lauf: den Transalpine Run. Ein anspruchsvoller Etappenlauf, bei dem in sieben Tagen die Alpen überquert werden. Damit wollen sie Spenden für ihr Projekt „Heart on Trails“ in Zusammenarbeit mit der kinderherzen Stiftung Erlangen und der Uniklinik Erlangen sammeln.
Hier entsteht eine Sportsprechstunde, bei der EMAH und Herzkinder sich beraten und durchchecken lassen, Belastungstests machen sowie Trainingspläne erhalten können, um den Weg in den Sport zu finden ohne Bedenken. Denn Bewegung tut allen gut, auch herzkranken Patienten – großen wie kleinen.
Du verbindest deine Leidenschaft für Sport mit deiner Herzerkrankung und hast damit zusammen mit Dr. Isabelle Schöffel ein tolles Projekt auf die Beine gestellt: Hearts on Trail. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Ich bin 2022 operiert worden. Danach wollte ich meinen Leistungssport weitermachen. Doch am liebsten wollten mir alle Mediziner direkt verbieten, überhaupt wieder Sport zu treiben. Niemand wusste, wie stark sich jemand, mit so einer Erkrankung und nach so einer Operation, belasten kann.
Ich hatte dadurch auch Angst, etwas kaputt zu machen. Dann habe ich Isabelle Schöffl aus dem Uniklinikum Erlangen kennengelernt. Sie ist dort Kinderkardiologin und selbst Sportlerin. Sie hat mich aufs Laufband gestellt und alle Fragen beantwortet, die ich hatte: bis zu welcher Pulsfrequenz kann ich gehen; wie stark darf ich mich belasten und so weiter. Ich habe mich danach einfach sicherer gefühlt. So konnte ich ohne Angst und mit freiem Kopf wieder laufen gehen und trainieren.

Ich will auch anderen Leuten die Möglichkeit geben, präzise Auskünfte darüber zu bekommen, was sie sportlich leisten können. Und nicht immer nur auf das hören zu, was die Ärzte aus Sicherheitsgründen pro forma verbieten – Erwachsene wie Kinder. Auch herzkranken Kindern tut Bewegung gut, doch oft werden sie direkt vom Schulsport ausgeschlossen.
So ist die Idee entstanden, in der Uniklinik Erlangen eine Abteilung aufzubauen unter Isabelles Leitung, wo alle herzkranken Menschen sich durchchecken lassen können, valide Belastungswerte erhalten und die Freigabe für individuellen Sport bekommen.
Du hast die Diagnose „angeborener Herzfehler“ erst als Erwachsene erhalten. Wie war deine gesundheitliche Situation davor?
Ich war schon von Geburt an sehr schmächtig. Ich habe mich körperlich langsam entwickelt, war recht klein, aber ein sehr agiles Kind. Als ich 18 war, trainierte ich gerade im Fitnessstudio auf dem Stepper. An den Tagen zuvor hatte ich schon bemerkt, dass mein Puls viel zu hoch war. Wie hoch genau, weiß ich gar nicht, weil ich mit einem Herzstillstand vom Stepper gefallen bin. Mein Trainer hat mich direkt wiederbelebt, sonst wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Das war bis dahin die erste Herzauffälligkeit.
Leider gab es damals noch nicht die Möglichkeiten, explizit festzustellen, was der Grund dafür war. Das Einzige, was diagnostiziert wurde, war eine Herzmuskel- und Herzbeutelentzündung. Ab dem Zeitpunkt wurde mir immer nur der Sport verboten.
Hast du dich an das Verbot gehalten?
Natürlich nicht! Ich wollte mir meinen Sport nicht nehmen lassen. Vor allem, weil ich mit 25 Jahren noch eine MS-Diagnose bekam. Ich musste mich einfach bewegen, um der Krankheit auch etwas entgegenzusetzen.
Wie hast du von deinem Herzfehler erfahren?
Ich habe in den Jahren danach immer wieder Herzmuskelentzündungen bekommen. Auch die Herzklappen haben sich nicht mehr richtig verschlossen, vor allem die Trikuspidalklappe war sehr auffällig. Aber auf die Ursache ist niemand gekommen.
Ich bin regelmäßig zur Leistungsdiagnostik zum Kardiologen gegangen. Irgendwann meinte er zu mir, dass ihm die Trikuspidalklappe seltsam erscheint. Ich solle zur Uniklinik in Erlangen gehen, um das abklären zu lassen. Er hatte schon im Gefühl, dass es eine Fehlbildung ist.
2020 war ich das erste Mal beim MRT in der Uniklinik. Dabei haben sie festgestellt, dass meine Trikuspidalklappe total verzogen ist und nicht mehr schließen kann. So können sich dort immer wieder Bakterien festsetzen, weshalb ich andauernd eine Herzmuskelentzündung hatte. Letztendlich wurde als Ursache die Ebstein-Anomalie diagnostiziert.
Zu dem Zeitpunkt gab es in der Uniklinik allerdings noch niemanden, der sich die notwendige OP zugetraut hätte – bis 2022 Professor Dewald gekommen ist. Er hatte Erfahrung damit und wusste, wie man das Thema angehen kann.
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Ebstein-Anomalie
Die Ebstein-Anomalie ist ein sehr seltener angeborener Herzfehler. Sie betrifft die Herzklappe im rechten Herzen, die Trikuspidalklappe. Sie sorgt dafür, dass das Blut nur vorwärts gerichtet durch das Herz und nicht zurückfließen kann. Bei der Ebstein-Anomalie ist die Trikuspidalklappe verschoben und deformiert.
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Hat sich nach der Diagnose etwas an deinem Training verändert?
Zuerst einmal nicht, ich habe weiterhin Sport gemacht wie davor auch. Aber dann habe ich gemerkt, dass das Herz immer schwächer gepumpt hat. Ich bin keinen Berg mehr hochgekommen, hatte ständig Wasser in den Beinen, habe keine Luft mehr bekommen. Ich habe deswegen nicht alles aufgegeben und immer wieder probiert, was geht. Doch Stück für Stück wurde es schlimmer. Zum Glück war das zu einem Zeitpunkt, als wir mit Professor Dewald über eine Operation entscheiden konnten.
Wie ist es für dich nach der Operation weitergegangen?
Ich hatte mich vor der OP auf alles eingestellt, auch dass ich vielleicht nie wieder laufen oder Sport machen kann. Aber schon im Aufwachraum bin ich alleine aufgestanden – mit allen Schläuchen und offenem Brustkorb. Meine Beine taten weh, da musste ich mich bewegen. Nach nur fünf Tagen wurde ich entlassen und ging kurz danach zur Reha. Ich hatte aber viel Wasser in der Lunge und bin nicht mal die Treppe hochgekommen.
Auf Reha habe ich mich Corona infiziert, mit schwerem Verlauf. Ich musste zurück auf die Intensivstation. Mit frisch operiertem Sternum zu husten bei hohem Fieber – das war echt kein Spaß. Da war ich kurz verzweifelt, aber ich habe mich wieder erholt und konnte die Reha abschließen.
Warst du nach der Reha wieder fit für deinen Sport?
Leider wurde ich auf Reha gar nicht belastet. Als ich zu Hause war, konnte ich immer noch keine Treppen steigen und war auf mich allein gestellt. Ich konnte mich nicht mehr auf mein Körpergefühl verlassen und wusste nicht, was ich mir körperlich zumuten konnte – bis ich auf Isabelle Schöffel in der Uniklinik Erlangen gestoßen bin, die mir konkret gesagt hat, was ich machen kann.
Merkst du heute Einschränkungen in deinem Alltag und wie gehst du damit um?
Ich habe immer wieder Herzrhythmusstörungen, die kommen und gehen. Manchmal lagere ich Wasser ein, das wird mit Bewegung dann besser. Das ist immer schwankend und ich weiß nie, wie der nächste Tag wird. Aber ich bin jeden Tag draußen und gehe laufen. Das funktioniert auch mit dem Herzen gut.
Nimmst du Medikamente wegen deines Herzfehlers?
Nein, ich nehme gar keine Medikamente. Ich habe in Aussicht gestellt bekommen, irgendwann einen Herzschrittmacher zu kriegen, wenn die Rhythmusstörungen schlimmer werden sollten.
Inwiefern hat deine MS-Diagnose Einfluss auf deinen Sport?
Es hat einen massiven Einfluss, der nur nicht so sichtbar ist. Die meisten Leute, die mich sehen, denken, ich sei ein kerngesunder und fitter Mensch. Doch schon der erste Schub mit 25 hat meine linke Seite stark beeinträchtigt. Ich hatte auch danach noch Schübe, die meine rechte Körperhälfte betroffen haben, vor allem die Beine. Für mich ist Laufen anstrengend, was die Konzentration angeht. Ich muss über jeden Schritt nachdenken und mein Kopf darf nicht müde werden.
Du bist ein sehr aktiver Mensch. Was treibt dich an?
Die Natur und Bewegung geben mir ganz viel. Und dass ich mit meiner Geschichte andere Leute motivieren kann, wenn ich zum Beispiel auf einer (Sport-) Veranstaltung bin. Um noch mehr Menschen zu erreichen und mehr Spenden für „Heart on Trails“ sammeln zu können, nehmen Isabelle und ich am Transalpine Run teil. So kann ich zeigen: Ich habe selbst schwere Erkrankungen, aber es geht trotzdem. Das motiviert hoffentlich so viele Leute wie möglich, Geld zu spenden. Alle Spenden fließen zu 100 Prozent in das Projekt rein.

Möchtest du Herzfamilien noch etwas Bestimmtes mitgeben?
Das Wichtigste zuerst: Eine Herzerkrankung ist ein Schock, aber es ist nicht der Weltuntergang. Es klingt manchmal schlimmer, als es eigentlich ist, und manche Sachen kann man mit einem kleinen Eingriff komplett beheben. Und falls das nicht geht, sollte man vor allem das Leben genießen und das Beste draus machen, ohne sich von der Angst leiten zu lassen. Angst raubt so viel Lebensqualität. Ich wünsche mir, dass Betroffene mehr auf den eigenen Körper und die eigene Intuition hören und lernen, in sich hineinzufühlen. Macht das Beste aus dem Moment!
Danke für das schöne Interview, liebe Sandra!
Weitere Infos zum Projekt „Heart on Trails“ gibt es hier Heart on Trails und bei Instagram.


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